Der Kader der polnischen EM-Mannshaft steht bereits seit Anfang Mai. Fest.
Details sind http://www.kader.pl zu entnehmen. Die Spiele beginnen am kommenden Freitag. Und heute ist ein Sonntag, also insgesamt ein guter Anlass, um über die Religion und Fußballspiel zu schreiben.
Ich verfolge die Vorbereitungen in Polen nur am Rande. Erstens wird über diese im offiziellen Fernsehen berichtet, welches sich vom Format her kaum noch vom deutschen, französischen, ungarischen oder sonstigen unterscheidet. Wahrscheinlich gehören die Medien in Europa nur wenigen meist deutschen Konzernen an. Der größte Teil der ungarischen Presse soll bereits seit Jahren durch deutsches Kapital gesteuert sein. In Polen dürfte es ähnlich zugehen. Sonst hätten wir dort nicht so viele überflüssige, flache bzw. oberflächige Sendungen wie daily Soaps und Promi-Berichte, die auch uns täglich belästigen.
Aber jetzt zurück zu der EM. Ich stelle mir Erstaunen fest, dass die Polen eine inzwischen völlig antireligiöse Einstellung zum Fußball haben. Die glorreiche Zeit der polnischen Nationalelf liegt mittlerweile 30, bzw. 38 Jahre zurück. Das Volk ist desillusioniert. Fußball scheint nur noch, eine lukrative Verdienstmöglichkeit in westlichen Clubs zu sein. Für eine etwaige Meisterschaft verdient R. Lewandowski nicht mehr als für einen Monat in Dortmund, sagte mir kürzlich ein polnischer Bekannter. Vielleicht geschieht ein Wunder, aber die Chancen auf einen Auszug aus der Gruppe stehen im Moment schlecht für die Polen. Die Einstellung zu den Meisterschaften im Lande ist also nachvollziehbar. Deshalb wenn ich die polnischen Medien verfolge, habe ich oft den Eindruck, man wolle den ausländischen Besuchern ein friedliches Fest bieten. Zwar verlief die Vorbereitung nicht ohne diverse Pleiten im wahrsten Sinne des Wortes) und Pannen. Das Autobahnnetz ist immer noch nicht vollständig. Und für die Sicherheit in den Stadien kann man letzten Endes nur noch beten. Von den politischen Verhältnissen in der Ukraine mal abgesehen, die bei uns fast schon wie eine Diktatur in einer afrikanischen Bananenrepublik dargestellt wird.
Dennoch habe es die Polen geschafft und sie trommeln mittlerweile täglich für die EM, fast schon panisch. Ich bin deshalb fest davon überzeugt, es wird ein schönes Fest! Diejenigen, die es wagen, dahin zu fahren, was ich nur wärmstens empfehlen kann, werden es in der Mehrzahl nie bereuen.
Sie finden eine junge gut gelaunte Gesellschaft, die den westlichen Gästen mit viel Ehrfurcht und Respekt gegenüber steht. Sie finden zwar eine weniger effiziente Infrastruktur, dafür aber Menschen, die ohne Eigennutz einem helfen, ja sogar einen Fremden nach Hause einladen können. Bei uns ist es doch undenkbar. Als ich in mein Haus vor drei Jahren eingezogen bin, lud ich in den folgenden Monaten alle Nachbarn zu uns ein. Einfach so, ohne Motto, auf ein Bier, Kaffee, usw. Eine Gegeneinladung kam von keinem der Gäste.
Sie werden sich wundern, wie viel Freude eine Autofahrt macht, wenn man nicht für einen zu langsam und für den anderen zu schnell ist. Vor kurzer Zeit habe ich versehentlich in meinem Viertel die rechts vor links Regel leicht missachtet (ohne Unfall) und wurde vom Autofahrer dafür als A. beschimpft. Nachdem ich ausgestiegen war, um die Sache zu klären, war er weggefahren. Gut für ihn, da ich früher gerne boxte… Andererseits tun mir solche Menschen stets leid. Wie unzufrieden mit dem eigenen Leben muss man denn sein, um so zu reagieren.
Sie werden auch selten in Polen einen Nachbarn finden, den jeder Furz stört und der sofort die Polizei anruft, wenn ich mit meiner Geliebten im Schlafzimmer zu leidenschaftlich geworden bin.
Definitiv, in puncto soziale Intelligenz sind uns die Polen überlegen. Aber sie lernen auch leider schnell. Eine Zurückhaltung beim Kinderkriegen habe sie inzwischen gut gelernt. Allgemeine Kinderfeindlichkeit wäre der nächste Schritt.
Die polnischen Nachbarn wollen uns also bei der EM glücklich sehen, selbst erwarten sie zwar nicht viele Erfolge dafür aber viel Spaß. Es ist für mich fast schon traurig, zu sehen, wie oberflächlich, kommerziell und spaßorientiert die Stimmung dort ist. Ich erkenne keine religiösen Züge mehr, etwa im Vergleich zu 1982
Anders bei uns. Nachdem die Kirchen fast leer geworden sind, ist der Gott Fußball unter die Menschen gekommen. Deutschland muss einfach das Turnier gewinnen. Und es wird es zweifelsohne tun. Es gibt es zwar ein paar Pflichtprogramme im TV über Polen/Ukraine, aber das Ziel lautet – „Sieg, egal wo“
Dort Spaß und hier Religion.
Was soll ich davon halten? Früher in meiner Kindheit war ich natürlich stets für Deutschland. Auch fast religiös. So fieberte ich 1982 gegen Frankreich und 1986 gegen Mexiko. Ich konnte fast die ganze Nacht vor Aufregung nicht schlafen und liebte diese Nation, der ich damals noch nie angehören durfte und deren beeindruckende Eigenschaften ich im Fußballspiel sah.
Ein Problem hatte ich nur, wenn die BRD gegen Polen spielte. Da war ich stets fürs Unentschieden.
Und heute? Naja, ich werde ebenfalls mit beiden Nationen mitfiebern. Eine (deutsche) Fahne habe ich mir inzwischen besorgt. Und werde sie während meiner langen täglichen Dienstfahrten auf der Autobahn aus dem Fenster hissen. Bete jedoch auch für die Polen. Es ist schließlich Sonntag.