Gastbeitrag von Julian Reske
Spare in der Zeit, dann hast du in der Not – lange Zeit hatte diese Lebensweisheit Gültigkeit; seit einigen Jahren verhindert die Europäische Zentralbank (EZB) allerdings den Erfolg sämtlicher Bemühungen, Kapital aufzubauen. Die anhaltenden Niedrigzinsen sollen dafür sorgen, dass die Banken besonders günstige Unternehmenskredite vergeben und damit die europäische Wirtschaft ankurbeln. Wer allerdings Vermögen anzulegen hat, bekommt vor allem die Schattenseiten dieser Geldpolitik zur spüren: Konventionelle Anlagen wie Fest- oder Tagesgeld sind derart renditeschwach, dass nicht einmal die Inflation ausgeglichen wird. Die Suche nach Alternativen ist unabdingbar – gehört Social Trading dazu?
Hohe Rendite: Mit Social Trading Kapital vermehren?
Die globalen Finanzmärkte zeigen, dass sich sehr wohl hohe Renditen erwirtschaften lassen. Allerdings muss dazu bei den Investitionen entweder ein hohes Risiko eingegangen werden, oder es wird eine entsprechend große Expertise benötigt. Wer allerdings bisher in konventionelle Anlageprodukte investiert hat, bringt in der Regel kaum das notwendige Fachwissen für hochspekulative Anlagen mit. Die Idee des Social Tradings besteht darin, dass Wissen der Händler miteinander zu verknüpfen. Netzwerke wie eToro ermöglichen es, Einblicke in die Entscheidungen von Profis zu erhalten – und folglich die eigene Anlage darauf auszulegen. Die besten Portfolios werden durch ein Punktesystem bewertet und entsprechend hoch gelistet. Um zu entscheiden, welcher Kauf derzeit ratsam ist, wird kein weiteres Wissen benötigt. Während einige Kritiker sich nicht auf die Schwarmintelligenz verlassen wollen, überzeugt das Social Trading in der Praxis: Rund 10 Prozent Steigerung der Rendite konnte unter den Social Tradern erwirtschaftet werden. Beim Social-Trading Vergleich des Test-Portals Netzsieger.de konnte sich eToro gegen die Konkurrenten durchsetzen. Die Tester lobten vor allem die aktive Community, die einfache Bedienung und den guten Support.
Problematischer Herdentrieb
Doch alle Fachleute lassen sich von diesen Ergebnissen kaum überzeugen und kritisieren vielmehr das Grundkonzept: Ihrer Meinung nach entstehe dadurch eine Art „Herdentrieb“. Dabei gilt es unter Psychologen längst als bewiesen, dass Menschen ungerne einsame Entscheidungen treffen und sich in der Gruppe am wohlsten fühlen. Die Logik dahinter ist einfach: Eine Entscheidung, die viele treffen, könne schließlich nicht falsch sein. Der Denkfehler dahinter besteht in der Art und Weise, wie diese Entscheidung zustande kam. Beim Social Trading ist es eben nicht so, dass jeder Händler für sich zu dieser Einschätzung gekommen ist, sondern nur einem anderen Trader folgte. So können wenige Profis und selbsternannte Fachleute eine Gruppendynamik auslösen. Die letzte Finanzkrise hat allerdings wieder einmal gezeigt, dass in dieser Dynamik ein besonderes Risiko lauert. Umfragen hätten zudem gezeigt, dass die Entscheidung der Masse keinesfalls richtig ist. Besonderem Erfolg ist eben nur beschert, wer eine richtige Entscheidung trifft, die der Mehrheitsmeinung gegenübersteht. Die Mehrheitsmeinung kann per Definition kann nur kurzfristig richtig sein. Wenn alle auf fallende Kurse setzen und dementsprechend „short“ sind, sprich, sie haben Aktien oder Kaufoptionen verkauft, wer soll für das erhöhte Angebot sorgen, welches jedoch notwendig ist, um Aktienkurse zu drücken?
Gerade hier bietet Social-Trading Chancen an. Denn eine Handvoll Trader schafft es, diese falsche Mehrheitsmeinung rechtzeitig zu identifizieren. Die Kunst besteht darin, diese wenigen Social-Trader u entdecken.
Steigende Beliebtheit
Diese Bedenken ändern allerdings nichts an der Tatsache, dass Social Trading immer beliebter wird. Die Zukunft wird zeigen, ob der private Anleger von der neuen Anlageform tatsächlich profitieren kann – oder weiterhin minimale Zinsen in Kauf genommen werden. Das Problem der geringen Rendite könnte sich bald auch auf andere Weise lösen: Kürzlich deutete die EZB an, dass die Periode der Niedrigzinsen schon bald vorbei sein könnte.